Im Januar 1945 war Ostpreußen dem Untergang preisgegeben. Königsberg war durch den britischen Luftangriff 1944 anteilig zerstört. Sowjetrussische Truppen waren nicht mehr aufzuhalten. Bis Ende Januar stand die Flucht für die ostpreußische Bevölkerung noch unter Strafe. In Ostpreußen selbst gab es schon vorher grosse Flüchtlingstrecks gen Westen. Die Menschen flohen von überall dort, wo die Rotarmisten in ihre Dörfer und Gemeinden einmaschiert waren. Manche wurden eingekesselt und mussten ihre Fluchtroute ändern.

Ein Teil der Flüchtenden begab sich nach Pillau zum Seehafen. Hier fuhren noch einige Dampfer und Schiffe ab.

Im strengen Winter 1945, von Januar bis zum 18. April 1945 verliessen 450.000 Menschen den Hafen von Pillau.

1100 Personen fanden in dieser Zeit ihren Tod in Pillau.

Vom pensionierten Pillauer Leuchtturmwärter Adam Andszus bis zu fünf Monate alten Monika Zöllner aus Königsberg ist in den Pillauer Todeslisten von 1945 die Rede. Die Älteste geflüchtete mag wohl Maria Behrend geb. Kolberg sein. Sie wurde 1853 in Mehlsack geboren und starb im Februar 1945 auf ihrer Flucht.

Auch mein Vater Ernst war in Pillau unter den Flüchtenden. 1945 war er eigentlich Wehrmachtssoldat, sein letzter Standort bei der Truppe war in Litauen. Durch eine Kriegsverletzung, die er sich bei schweren Kämpfen vor Leningrad am Wolchow zugezogen hatte, war er gehbehindert. Er muss dementsprechend einen Beförderungsschein für Schiffe gehabt haben. Nachdem es ihm misslungen war, die Mutter Anna und den jüngsten Bruder Horst zur Flucht zu überreden, ging er nach Pillau. Sein Ziel: Fort aus Ostpreußen, der Heimat. Die Familie musste er in Schnakeinen lassen.

Die Flucht unter Strafe stehend konnte für Ostpreußen nicht mehr aufrechterhalten werden. Nachdem Gauleiter Koch sich bereits im Januar 1945 abgesetzt hatte, folgte nun endlich die Bevölkerung. Nicht so luxoriös allerdings, wie Koch es tat. Bei Minusgraden über 20 ° Grad treckten sie per Fahrrad, zu Fuß, mit Fuhrwerken oder eben per Schiff.

Mein Vater berichtete von schrecklichen Szenen und seiner Scham:

Als junger Mann, Ernst war 24 Jahre alt, unter alten und kranken Menschen, Frauen und Kindern auf diesem Weg die Chance zum Überleben zu haben, setzte ihm zu.

Aber auch er musste warten um einen Platz an Bord zu erhalten.

"Am 14. Februar hat eine Nachbarin Ernst noch in Pillau am Hafen gesehen." schreibt die Gutsfrau Kollien aus Schnakeinen meiner Oma Anna 1947.

Wann er dann wirklich auf den Dampfer "Deutschland" Platz fand, ist nicht mehr nachvollziehbar.

Mein Vater hatte Glück! Mit der Deutschland landete er in Lübeck-Travemünde und ging von dortaus direkt in britische Kriegsgefangenschaft nach Munster-Lager in der Lüneburger Heide.

Sie umfassen 1100 Personen und Daten zu Herkunft, Geburt und Todestag. Mitunter sind Berufe und Stände daraus ersichtlich. Familienzugehörigkeiten können abgelesen werden und vieles mehr.

Aktuell digitalisiere ich die Liste. Damit erhält sie eine Suchfunktion zu Namen, Orten und Daten.

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