Versuch der Rekonstruktion eines Dorfes in Ostpreußen
Wie alles begann
Mein Vater wurde 1920 in Schnakeinen geboren und verbrachte Kindheit und Jugend dort. Im Februar 1945 flüchtete er von dort über die Ostsee nach Lübeck und kehrte nie mehr zurück.
Auch sein Vater und Großvater waren in Schnakeinen geboren. Mein Urgroßvater besaß die Schmiede im Ort, die bis zuletzt stand. Die Urgroßväter stammten aus Kreuzburg in Pr.
So war die Gegend über Jahrhunderte die Heimat meiner Ahnen.
Mein Vater berichtete mir einiges von zu Hause. Als es in den 1990ern wieder möglich war, dorthin zu reisen, schlug er mir eine Bitte aus, uns gemeinsam auf den Weg nach Schnakeinen zu machen. Er begründete es damit, dass dort nichts mehr von dem stehen würde was er kannte.
Vor fast 30 Jahren machte ich mich auf die Suche nach Schnakeinen. Über viele Jahrzehnte konnte ich Material und Augenzeugenberichte sammeln. Heute stelle ich fest, mein Vater lag richtig mit seiner Annahme.
So habe ich versucht, eine Rekonstruktion des 233 Seelendorfes Schnakeinen anzufertigen.
Schnakeinen taucht schriftlich in unserem Hause zweimal auf. Im Stammbuch, auf der Heiratsurkunde meiner Eltern. Und hier, auf dem Notizzettel meines Vaters aus 1952. Vater (Papas Vater Karl Thiel wurde dort geboren. Ebenso seine Söhne Horst und Gustav. Das mein Vater sich irrte, fand ich erst weitaus später heraus. Sein Vater, Bruder Horst und er selbst sind wohl in Schnakeinen geboren. Nicht aber der Bruder Gustav. Er wurde, wie Oma Anna, in Packerau bei Tharau geboren.
Es ist einiges an Material über Schnakeinen und seine Bewohner zusammengekommen. Diese Kapitel bieten einen Überblick vom gestern und heute.
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In den Präsentationstabellen des Amt Preußisch Eylau ist mein Urgroßvater Carl August Thiel als Eigenkäthner vermerkt. Der Eintrag kommt einem Grundbuch gleich. Darin steht geschrieben:
Schnakeinen Nro . 37 PT vom Dorf Schnakeinen ~ In früherer Zeit gehörte dieses Dorf zu dem Amte Kobbelbude - den 30ten August 1876
Eigenkäthner
Carl Thiel o . Carl Kuehn j . Heinrich Wi t t (gestr .) j . Carl Kühn j . a . Wittwe Luise Kühn b. unverehel Marie Joh. Kühn c . Schmied Carl August Kühn 1927 Maurer August Schwermer u . Ehefr au Marie geb. Kühn - 1 ha 32 a 90 qm geändert auf 1 ha 11 a 02 qm - 3 .10 - Kontract v . 5 ten Juni 1729 - GB Kobbelbude 52 - 3 Mark Grundzins 10 Pfg Büttel~ geld
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Urgroßvater Carl August Thiel wurde am 24.10.1847 in Schnakeinen geboren. Er starb dort am 20. Januar 1894 an Hautkrebs. Vermutlich wurde um diesen Zeitraum das
Eigentum gestrichen. Das Gebäude, dass Carl August Thiel einst gehörte ging dann in den Besitz vom Schmied Carl August Kühn in Schnakeinen. Er ist nicht in der Einwohnerliste verzeichnet. Die
Liste wurde 1939 erstellt. Das Carl August Kühn zuvor verstorben sein muss, zeigt dieser Hinweis in den Grundbuchauszügen Schnakeinens. Carl August Kühn besaß noch ein weiteres Haus
dort:
Eigenkäthner
7 Wittwe Anna Witt O . Chrp : (Christoph) Witt j . Herrmann Wohlgethan j . Schmiedemstr . August Kühn u . Bertha geb . Samland - 1 ha 19 a 70 qm geändert auf 04 a 20 qm - 1 . 60 - Verschreibg . v . 1ten October 1790 GB Kobbelbude 87 -
Seine Witwe Bertha Kühn geb. Samland finden wir mit ihren Kindern Robert und Paula in der Einwohnerliste von Schnakeinen.
Nach Carl August Kühn ging das Gebäude meines Urgroßvaters laut Grundbuch 1927 an den Maurer August Schwermer und seine Ehefrau Marie, geb. Kühn. Nun liegt es nahe, dass Marie Schwermer, geb. Kühn mit Carl August Kühn verwandt war. Unter Nr. 197 und 198 finden wir den Maurer August Schwermer, der 1870 geboren ist. In seinem Haushalt leben seine Ehefrau Marie und Tochter Marta Schwermer, geboren 1907.
Das Grundstück das in der Einwohnerliste unter 197/198 gekennzeichnet ist finden wir auf dem Dorfplan von Schnakeinen wieder:
Als ich Helga Kollien, die Tochter des ehemaligen Bürgermeisters, eine waschechte Schnakeinerin in Lübeck besuchte zeigte sie mir dieses Foto.
Die Aufnahme stammt von einem Besuch Helgas in den 1990er Jahren. Zu dem Zeitpunkt befanden sich nur noch vier der ehemals 29 Wohn-und Wirtschaftsgebäude im Dorf. Die ehemaligen Bewohner konnten sich darum nur schwer orientieren und das was noch vorhanden war, kaum zuordnen.
2012 erreichte mich allerdings Post von damaligen russischen Bewohnern aus Schnakeinen. Mit ihren Fotos der letzten Gebäude in Schnakeinen lieferten sie den Beweis, dass es sich bei der Aufnahme von Helga um das alte Haus meines Urgroßvaters handeln muss.
Das Foto wurde zugesandt von B.G., dem Neffen von Helga Kollien. Danke für die Mühe und das Einverständnis zur Veröffentlichung.
Schnakeinen links 1942 mit Gretel Albrecht in Front ihres Elternhauses Albrecht. Gleiches Gebäude im heutigen Poberezhe 2012:
Gelöst: Dieses Haus wurde von meinem Urgroßvater Carl August Thiel gebaut. Er bewohnte es bis zu seinem Tod 1894 mit seiner Frau Amalie geb. Ewert *1850 in
Wilmsdorf + 1937 in Schnakeinen
und den Kindern
Maria 1878 -1924 in Schnakeinen
Berta 1882 - + um 1950 in Möhra/Th.
Johanna
Karl 1886 - 1933 in Schnakeinen
Ob meine Urgroßmutter mit den Kindern nach dem Verkauf dort im Haus weiter wohnen konnte, werde ich wohl nicht erfahren.
oder.... Eine Erfolgsstory beginnt....
Wer hier bereits einige Seiten gelesen hat der weiss, dass meine Suche nach meiner ostpreußischen Familie nach dem Tod meines Vaters begonnen hat.
Aber wo fängt man an?
Ich entschied mich für die Ortssuche! Nach dem Dorf, von dem mein Vater mir imme wieder erzählt hatte:
Schnakeinen, dem 219 Seelen- und Geburtsort meines Vaters, das unweit von Kreuzburg / OP im Kreis Pr. Eylau lag. Meine 15jährige Suche brachte bis heute dies
ein:
Geschichte der Gemeinde
Schnakeinen
zum Vergrößern
anklicken
Dienstpflichtige Männer Schnakeinens 1778
Was über das kleine Dorf Schnakeinen und seine Bewohner in den Kreisblättern von Pr. Eylau steht
Friedrich Gottfried Podehl, Bauernsohn aus Schnakeinen muss seine Wehrpflicht antreten
********
Was 1996 verzweifelt und scheinbar aussichtslos begann, endete 2001 mit einem Happy-end.
Auf meine Anfrage in der Ost-Westpreußenliste OWP-Liste
-einem Forum für Ahnenforscher- bekam ich von einem Mitforscher folgenden Hinweis zu Schnakeinen:
In der Ausgabe 2000 habe es einen Bericht über das Dorf gegeben. Zugleich
fragt dieser an, ob ich Interesse an Kopien dieses Artikels hätte, er würde mir diese gerne senden!
Gibt es das? Ja und diese phänomenale Hilfsbereitschaft ist unter Ahnen- und Familienforschern sogar recht verbreitet.
Es sollte (m)ein Anfang sein:
Und dann endlich geht´s los mit dem
Da ging er also zur Schule, der Herr Papa. Wenn er nicht Lehrers Kuh hütete...
Da steht´s: Vom Bauern Kollien hatte Vater oft berichtet. Auf dessen Hof
arbeitete er als Gespannführer bis 1941. Dort lebte er also auch, mit Oma Anna und seinem Bruder Horst. Dann sollte auch er in den Krieg ziehen.
Viele der anderen Dorfbewohner schienen mir aus seinen Erzählungen vertraut. Schott und Venohr, Kinder und Albrecht. Frau Gretel Albrecht hatte ich sogar persönlich kennen gelernt.
Nach einer der Töchter des Bauern Kollien sollte später meine Schwester benannt werden.
Ja, da hatte nun also die Wiege meines Vaters gestanden: Im Arbeiterhaus Kollien. Dort hatte mein Vater seine Kindheit und Jugend verbracht.
Dies ging bereits aus den Seelenlisten hervor.
Oma Anna Thiel
mit den Söhnen Horst und Ernst 1938
Annas letzter Wohnort nach der Flucht, Aue/Sachsen, wo sie 1952 verstarb, wird erwähnt.
+++
....Auch die Verfasserin des "Spaziergang durch Schnakeinen" war bisher eine Unbekannte aber dennoch Bekannte. Wie sich herausstellte, hatte ich mit Erika eine Cousine gefunden. Sie ist die
Tochter von meiner Tante Lotte Thiel, geb. Baß.
Wir telefonierten noch am gleichen Tag, nach dem ich den Bericht erhalten hatte.
Erika hat mir fortan sehr bei der Suche geholfen und mir Ostpreußen und seine liebenswürdigen Menschen näher gebracht.
Auch ihr gilt mein herzlichster Dank!
Anknüpfend an meiner Cousine Worte muss ich folgendes erwähnen. Mein Vater wollte nicht mit mir nach Ostpreußen reisen.
Wollte nicht nach Schnakeinen zurück. Wenn ich ihn sonst auch becierzen konnte, hier hatte ich keine Chance mit meiner Bettelei.
Hatte er Angst? Angst vor den Russen, weil er im Krieg um Leningrad kämpfen musste?
Oder hatte er Angst vor Bildern wie diesen:
Die Wildnis, von der Erika spricht. Schnakeinen 1990-1992 was von Erika wie folgt beschrieben wird:
Das Kreuz zeigt ungefähr die Stelle, wo das Haus stand in dem ich mit Oma und Opa Dauter gewohnt habe. Im Hintergrund der dunkle Streifen, das ist die
Dinge.
Das ist der Eingang vom Dorf, aus Porschkeim und Kreuzburg kommend. Wo früher links und rechts der Straße Gebäude standen, sieht man gerade mal drei rote Dächer
blitzen.
Diese Reste stehen inzwischen wohl auch nicht mehr. Alte Seitenstraßen und Wege existieren wohl auch nicht mehr. Wenn, dann neue Trampelpfade.
Somit auch kein Anhaltspunkt, wo mal was stand.
Moment mal, von Porschkeim kommend....., wieso aufgeben? Wir haben doch voll deinen Plan, liebe Erika:
Geht doch: Rechts kommt man von Porschkeim quasi auf den Schnakeiner Highway. Zweite rechts rein, gegenüber dem Armenfriedhof auf dem mein Opa Karl begraben
ist, lag das Arbeiterhaus Kollien mit der No. 27. Da wohnte Oma mit Papa und Horst.
Man betrachte auch hier das Insthaus von Hof Kollien mit der Nr. 27!
Und noch eine Dorfskizze von Schnakeinen:
Wieder der Highway des Dorfes
Schnakeinen. Diesmal von links nach rechts mit den Richtungen > von Labehnen kommend bis Kreuzburg > benannt.
Wir erinnern, das die Skizze vorab, von rechts als aus Porschkeim beschrieben wurde.
Erika bennent das Foto des Dorfeinganges Schnakeinen aus Richtung Porschkeim/Kreuzburg kommend.
Rechts rein zum Friedhof der Armen und gegenüber, direkt an der Straße das Haus Insthaus vom Hof Kollien.
Dir drei Ziffern weisen auf die Einwohner Heske, Kinder und Thiel hin. Nr. 204 -siehe Seelenliste oben- wurde von Anna Thiel, geb. Matz und den Söhnen Ernst und Horst
bewohnt.
Alle Einwohner von Schnakeinen 1939
Da sind sie noch einmal "alle" vereint; die Schnakeiner! Und in Vaters altem Fotoalbum lassen sich tatsächlich einige Gesichter zu den, in der Liste stehenden, Namen finden...
Renate & Helga Kollien. Dazwischen mein Vater, ca. 1938 im Frühjahr-Sommer
Onkel Horst Thiel, rechts daneben Horst Kollien (*1926) auf dem Kollien´schen Grundstück. Im Hintergrund gings
zum Kreuzburger Stadtgrund, rechts davon stand das Bauernhaus Kollien. Links befand sich der Bauernfriedhof. Kanninchenjagd in
Schnakeinen.
Widmung auf der Rückseite des "Kanninchenbildes"
Horst 1988
Gretel Albrecht & Helga Kollien (s. Einwohnerliste) vor dem Haus Kollien, wohl mit Gretels Hund. Daneben mein Vater. Ca. 1940/41. Zwischen den Damen und dem Herrn: Das Kolliensche Milchsieb ;-)
Ja, ja mein lieber Vater und die Mädelz....
Foto Martha Boldt, Nr. 43 in der Einwohnerliste. Dort wird sie als Hausangestellte des Otto Boldt genannt. Ihr Schicksal ist ungewiss...
Rückseite Foto "Martha Boldt". Diese Widmung schrieb sie meinem Vater.
Margarete Albrecht * 1922, gen. Gretel (Nr. 5 in der Einwohnerliste). Sie war die Tochter des Maurers Otto
Albrecht aus Schnakeinen. Ihre Mutter Anna war eine geb.
Schlicht. Gretel lebte nach der Flucht in Ahrensburg. Mein
Vater und Gretel pflegten bis zu ihrem Tod noch engen Kontakt.
Gretel im Januar 1942. Welches Schnakeiner Haus ist wohl im Hintergrund zu sehen? War es Gretels Elternhaus,
das Albrecht´sche des Maurers...?
Gretel im Winter in Schnakeinen. Schnakeiner Mädelz waren also tré chic!
Ruth Götz. Schnakeiner Schulkind aus Labehnen. Sie erzählte mir, dass mein Vater bei den Mädchen des Dorfes beliebt war... Er spielte regelmäßig den Schnakeiner Weihnachtsmann.
Ruth heiratete später ihren Schulkameraden Mahadeo (gen. Bubi) Schwartinski aus Kissitten. Die beiden sind auf dem Schnakeiner Schulbild von 1938 zu sehen.
Eine, leider unbekannte, junge Dame in Schnakeinen.
Lehrer Ernst Lange *1882 (Nr. 130 der Einwohnerliste) im Winter vor der Schnakeiner Schule. Aufgenommen ca. 1936-1941. Er starb am 7. April 1942, wohl in Auswirkung seines soldatischen Ranges als Hauptmann, im Reserve Lazarett III in Königsberg/Maraunenhof. Die Todesumstände sind noch unbekannt.
Lange wird in der Chronik von Horst Schulz "Der Kreis Pr. Eylau" auch als Leiter der Kreiswanderbücherei für die Ausgabestelle Schnakeinen genannt. Die Volksschulklassen auf den Dörfern wurden in der Regel von einem Haupt-und einem Hilfslehrer geführt. Langes Kollegin war Dorothea Krüger.
Ernst Lange war verheiratet mit Klara, geb. Fuchs:
Klara stammte aus einer Hoppendorf. Sie war die Tochter von Hugo Fuchs und entstammte somit einer Lehrerfamilie die über 3. Generationen in Hoppendorf ansässig war.
Hugo Fuchs verlebte sein "Altenteil" bei Tochter und Schwiegersohn in Schnakeinen. S. Einwohnerliste in der er als Schulrektor a.D. benannt wird.
links > Hugo Fuchs
Lehrer Lange wohl eher in Königsberg. Jedoch die Karten vermitteln einen Eindruck vom Erdkundeunterricht in der Schnakeiner Schule.
Ehepaar Lange hatte zwei Kinder, Elsa und Heinz. Elsa heiratete Martin Glaser.
Heinz Lange, Sohn des Lehrer Lange aus Schnakeinen mit Nichte Annemarie
Ihre Tochter Annamarie wurde in Königsberg geboren. Annemarie wuchs jedoch in Schnakeinen auf.
Ernst Lange mit Enkelin Annemarie
(Diese Fotos und Dokumente stammen aus dem privaten Fundus von Alexande, welche er mir freundlicherweise zur Verfügung stellte. Er ist ein Urenkel des Ernst Lange.) Lieber Alexander, ein herzliches Dankeschön für dein Interesse und deine Mitwirkung an diesen Seiten!
Die Schnakeiner Chronistin
Cousine Erika Hanff, geb. Dauter aus Schnakeinen.
In ihrem Bändchen
fasst sie ihre Kindheitserinnerungen an Schnakeinen bis zur Flucht im Winter 1945 zusammen. Alle ihre
Geschichten sind auch in verschiedenen Ausgaben des Pr. Eylauer Kreisblattes zu finden. Erikas Erzählungen jetzt lesen
Unbekannte Schnakeinerin neben Oma Anna (re.)
Winter 1944 in Schnakeinen. Standort: Die Strasse führt bergauf nach Kreuzburg und abschüssig hinein nach Schnakeinen. Auch Helga Kollien weiss nicht, wer die Frau neben meiner Oma ist. Sie erläutert aber, das die beiden Frauen rechter Hand vom Insthaus Kollien und links vom Armenfriedhof stehen.
Was geschah danach, im schlimmen Kriegswinter in Schnakeinen?
Hier noch einige Fundstücke aus guten
Zeiten:
Die Schulkinder aus Schnakeinen von 1938
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Die Schulkinder von Schnakeinen ca. 1928
Es ist eines der ältesten Bilder, die meine Oma Anna aus der Heimat retten konnte. Mein Vater wurde vom Lehrer Lange
unterrichtet. Vater erzählte mir diese Geschichte zum unteren Bild:
Papa, warst du gut in der Schule?
Ich war der Beste.........., obwohl ich nie im Unterricht war.
Wieso nicht?
Der Lehrer fragte mich "Ernstchen, willst Unterricht machen oder lieber die Kuh hüten?"
Da habe ich die Kuh aus dem Stall geholt, sie mit einem Strick an den Baum gebunden, mich ins Gras gelegt und eine Piep geraucht....
Vaters Schulklasse in Schnakeinen. Aussen links, Lehrer Ernst Lange, direkt daneben sein "bester Schüler" Ernst Thiel
Ernst Lange war seit 1912 in der Schnakeiner Schule beschäftigt. Lt. Einwohnerliste
verstarb er 1942 in Königsberg.
Wer sind die anderen Personen auf dem Schulbild?
Schule Schnakeinen mit Lehrerwohnung
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Fluchtbericht aus Schnakeinen von Cousine
Erika
Die Flucht meiner Familie aus Schnakeinen
und was ihnen danach
widerfuhr
Eine Rekonstruktion aus den Briefen meiner Oma Anna, meines Onkel Horst, den Erzählungen meines Vaters Ernst Thiel und meiner Recherchen.
Der letzte Einsatzraum meines Vaters als Soldat wird im Sommer 1944 schlicht mit Litauen von der WAST genannt. Zuvor war er, dem lieben Gott sei Dank, in den irrsinnigen Kämpfen um Leningrad in Pulkowa schwer verletzt worden. Das wird ihm das Leben gerettet haben.
Was von August 1944 bis Anfang 1945 im Leben meines Vaters geschah... wo genau er sich aufhielt... ich
versuche es seit Jahren herauszufinden. Im Januar 1945 war er jedenfalls in Schnakeinen bei Oma Anna und Bruder Horst. Als Frontsoldat, der verletzt und nur noch als Kanonenfutter dienen
konnte und die Gefahr für Ostpreußen und seine Familie durch die ungebremst vorrückende rote Arme erkannte, kam er auf wundersamen Pfaden noch einmal in die Heimat zurück. Papa
erzählte:
"Ich habe versucht, deiner Oma zu erklären das wir da weg müssen, über die Ostsee. Durch meine Verletzung hätte ich einen Schiffs-Passierschein für uns alle bekommen. Jedenfalls hätte ich auf diesem Weg versucht, auch die Mutter und den Bruder dort rauszuholen. Der Russe war schon zu hören und würde gnadenlos sein. Aber Oma wollte nicht weg von zuhause. Zu allem Überfluss erkrankte Horst in dieser Zeit auch noch schwer. Ich brachte ihn mit dem Pferdewagen von Bauer Kollien ins Krankenhaus nach Kreuzburg. Oma war nun völlig zerrüttet. Sie jammerte nur noch, konnte sie ihren jüngsten Sohn doch nicht im Stich lassen.
Für mich war das eine Zerreissprobe mit wenig Bedenkzeit. Gustav, unser ältester Bruder war seit Sommer ´44 in Bessarabien verschollen. Ich nur sporadisch auf Heimaurlaub zuhause. Bruder Horst mit seinen 16 Länzen fast noch ein Kind und dem Ernst der Lage nicht bewusst. Deine Oma war starsinnig. Sie wollte ihre Heimat nicht verlassen. Hatte sie doch den ersten Weltkrieg miterlebt und da waren die Russen nicht bis in ihre Heimat vorgedrungen und später war alles wieder gut.
Sie verkannte die Situation und ich entschied mich, ohne Mutter und Bruder über die Ostsee zu fliehen. So zog ich ohne sie nach Pillau und fand neben Alten, Frauen, Kindern und Babys einen Platz auf einem Kreuzfahrtschiff.
Ich habe mich sehr geschämt, mich dort als junger Mann mit 24 Jahren so aus der Affäre zu stehlen. All dieses Leid um mich herum. Neben mir starb man, wurden Kinder entbunden und alle Schei.... und das Erbrechen dieser kleinen Überfahrt schien schlimmer als der gemeine Krieg den ich in den tiefsten Wäldern Russlands erlebt hatte.
Die Sorge um Mutter und Bruder und auch mein schlechtes Gewissen um meine Kameraden die während dessen ich über die Ostsee schaukelte, wohl ihr Leben lassen mussten.... in der Heimat.
Meines hatte ich gerettet und kam im Februar, in Wehrmachtsuniform und mit Krücken im Lübecker Hafen an. Hier hatte die britische Armee alles fest im Griff und ich gelangte in deren Gefangenschaft nach Munsterlager. Ich war gerettet!
Ich melde mich als landwirtschaftlicher Arbeiter und werde 1946 zu einem Bauern in die Lüneburger Heide abkommadiert. Auf dem Tanzboden
lerne ich deine Mutter kennen..... Wir heiraten 1947..... Was mit meiner Mutter und Bruder Horst aus Schnakeinen geschehen ist, wusste ich bis dahin noch nicht...
Ein Brief... und das erste bekannte Lebenszeichen
...meiner Oma Anna nach West-Deutschland: Am 27.02.1949 schrieb sie aus Aue/Sachsen an die Kollien Familie in Lübeck:
Sehr geehrte Familie Kollien!
Da ich Ihre Adresse erfahren habe, will ich schnell ein paar Zeilen an Sie richten. Sie werden ja erstaunt sein einen Brief von mir zu erhalten. Es freut mich sehr, von meinen Bekannten in Ostpreußen zu erfahren. Ich wohne in Aue/Sachsen mit Horst zusammen. Ich muss nicht mehr arbeiten. Horst arbeitet in einem Bergwerk. Untertage, d.h. 30m tief unter der Erde, was sehr, sehr schwer und lebensgefährlich ist.......
...Horst ging gerade zum Kino ich bin so für mich alleine und denke gerade über alles so nach. Meine Gedanken sind die ganzen Jahre in der Heimat und bei meinen lieben Kindern, Verwandten und Bekannten aber von niemand bekomme ich eine Nachricht. Weiß Gott, ob sie alle Tod mögen sein. Die Kinder habe ich schon verloren denn mein Sohn Gustav ist schon fünf Jahre weg und Ernst schon vier Jahre.
Geehrte Familie Kollien, wenn Sie mal was erfahren sollten von meinen lieben Kindern, meinen Verwandten und bekannten, lassen Sie mir das bitte zu Teil werden....
.....Schon bald zwei Jahre sind wir in Aue/Sachsen. Zwei Jahre davor noch habe ich in Pommern zu Stolp gewohnt, bei den Polen. Alles habe ich verloren, erst die Pferde mit Wagen, dann die Wäsche und Kleider die wir besassen. Bis wir beinahe nackend dastanden. Horst musste gleich am ersten Tag alles Inventar reklamieren, die Uhr und die Stiefel abgeben. Da blieb er in Socken stehen. Mich nahmen sie gefangen, ich konnte mich garnicht mehr ernähren. War nicht viel zu essen da. Und noch dazu war das Wasser fast immer unsere Mahlzeit......
Ja lieber Herr Kollien, die Feldpostnummer von Ernst werde ich Ihnen schicken aber das Truppenteil kann ich leider nicht sagen. Wird auch jetzt alles zwecklos sein... Nicht wahr, lieber Herr Kollien?!
Jetzt werde ich mein Schreiben schliessen. Leben Sie wohl und bleiben Sie alle recht schön gesund. Ob wir uns mal werden wiedersehen, ich glaube an keine Wunderchen.
Es grüsst Sie von Herzen Frau Thiel nebst Horst
Fortsetzung folgt....
Hier eine Seite zum Thema Flucht und Vertreibung in der SBZ/DDR
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Schnakeinen und seine Bewohner nach 1945
Let´s discribe the whole world
Schnakeinen bei Wikimapia: Schnakeinen heute
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Lieber Leser,
Schnakeinen liegt mir sehr am Herz. Es war der Geburtsort meines Vaters und die letzte wirkliche Heimat meiner Oma. Ännchen hat das Dorf noch oft nach der Vertreibung in diedamalige DDR in
ihren Briefen an Papa erwähnt. Er selbst fand in Westdeutschland ein neues Zuhause. Die 600 StraßenkilometerTrennung (Lbg. Heide-Aue) kann man sich wohl schlimmer vorstellen, als heute die
Entfernung nach Südafrika.
Ännchens Nachlass, der aus über 60 Briefen und wenigen Fotos besteht, sollte mir einigen Aufschluss über die familiäre Situation geben, von der mein Vater nichts berichten konnte.
Ich konnte also mehr Material sammeln, als ich es mir noch vor 15 Jahren erträumt habe.
Wer von euch noch etwas zum Ort
Schnakeinen und seinen Bewohnern
beitragen kann, melde sich bitte bei mir unter der Mailadresse:
tharauvillage@yahoo.de
Gerne komme ich für entstehende Unkosten auf.
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Beiträge von Lesern zu diesem Thema
18.12.2010
Im Kreisblatt hatte ich über die goldene Hochzeit vom Schnakeiner Fritz Wiechert (s. Einwohnerliste) und Frau gelesen und ihnen meine Glückwünsche telefonisch mitgeteilt. Wie oft bei Kontakten mit Ostpreußen entstand sofort eine vertraute Atmosphäre und ein informatives Gespräch. Kurz darauf erhielt ich E-Post und ein schönes Foto aus Schnakeinen von den beiden Jubilaren:
Herzlichen Dank dafür an Fritz und Ingrid!
****
23. September 2011
Ich erhalte daraufhin eine Mail von Eva mit spannenden Dokumenten über Evas Ostpreußische Familien: Holzke, Mattern, Groß, Altrock, Altroggen, Gruhn, Kuhr, Kohn.
Recht herzlichen Dank an Eva für dieses tolle Material zur Ahnenforschung! Wer kann Eva bei ihrer Ahnenforschung unterstützen, wer hat Anknüpfungspunkte???
Mailadresse:
evalucho60@aol.com
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Am 11.02.2012 erreicht mich dieser Gästebucheintrag von
Sandra:
Sandras Familie findet sich in den Schnakeiner Einwohnerlisten mit folgendem Eintrag:
Sandras Großvater Fritz war der Bruder des Gutsbesitzers Kurt Nachtigall aus Schnakeinen:
Über das Gut von Kurt Nachtigall steht in Niekammers Güteradressbuch folgendes zum Bestand:
Größe in Ha = 168
Ackerland incl. Gärten = 100
Wiesen = 4
Weiden = 60
Holzungen = 0
Unland/Wege = 6
Wasser = 0
Pferde = 18
Rindvieh = 70
davon Kühe = 26
Schafe = 6
Schweine = 26
Amtsanschluß Nummer: 234
.....................................................................................
Familie Fritz Nachtigall wird gleichzeitig in den Einwohnerlisten von Schnakeinen und Kreuzburg aufgeführt.
Sandras Großmutter, Anna Nachtigall, geb. Bruchmann hat einen sehr ausführlichen Fluchtbericht hinterlassen. Sandras Tante Hannelore hat ihr Einverständnis für eine Veröffentlichung auf diesen Seiten gegeben.
Meinen recht herzlichen Dank an Sandra und ihre Familie für die Mitgestaltung der Schnakeinen Seiten!
Fluchtbericht der Anna Nachtigall
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Meine Reise nach Lübeck zu Helga Wichert, geb. Kollien 16.Oktober 2011
Bereits im Sommer 2010 hatte ich telefonischen Kontakt zu Helga in Lübeck aufgenommen.
....Helga (*1928) war die älteste Tochter des Landwirt und letzten Bürgermeisters in Schnakeinen, Emil Kollien. Auf dessen Grundstück hatten Oma Anna, mit Papa Ernst und Onkel Horst im Insthaus gelebt und für Emil Kollien gearbeitet. Helgas Schwester Renate (1930) hatte meinen Vater so sehr gerührt, das er seine erste Tochter zu ihrer Namensvetterin macht. Helgas Bruder Horst (*1926) kam nicht mehr aus dem Krieg zurück.
Bei meiner Vorstellung am Telefon war Helga sofort orientiert zu Oma Anna. Sie und ihre Schwester Renate hatten mit ihr oft auf den Kollienschen Feldern gearbeitet. Oma hat viel gesungen und den Mädchen heimatliche Geschichten dabei erzählt. Eine sehr fleissige Arbeiterin sei sie gewesen, liebenswürdig, fast untertähnig und sehr gottesfürchtig: "Dat leeve Goattcke wirds recht machen", soll Oma bei Zuwendungen (in Form von Naturalien) gesagt haben.
Helga erinnert sich auch an Papa und Onkel Horst. Sie erzählt mir am Telefon vom Leben in Schnakeinen, seinen Einwohnern und .... von der Flucht und dem Leben danach.
Unmöglich dies alles während eines Telefonates schriftlich festzuhalten. Nach
mehreren Gesprächen in denen die Vertrautheit und die Verbundenheit zu Ostpreußen, das förmliche SIE ausbotet wird klar: Wir müssen uns einfach persönlich kennen lernen und uns austauschen.
"Aber jetzt bin ich so gebrechlich und so willst du mich kennen lernen?!", war Helgas letzter Einwand. "Ja, jetzt oder nie", war meine
Antwort....
Am 16. Oktober 2011 ist es soweit. Ich besuche Helga, die nun 82 Jahre alt ist, in ihrer betreuten Wohnung in Lübeck. Nein, wir haben uns zuvor keine Fotos via Handy oder Mail gesendet. Wir erlebten uns heute quasi pur. Helga holte mich, auf dem Rollator sitzend, am Parkplatz ab. Eine zierliche Person mit weissen Haaren. Ein freundliches Gesicht, mit viel Herzlichkeit in der Stimme gibt mir einen Begrüssungskuss auf die Wange. Und einmal mehr bin ich angekommen und fühle mich aufgenommen im Kreis der Ostpreußen.
Bevor wir zum Mittagessen gehen stelle ich meine "Ausrüstung": Laptop, Digicam, Fotoalben und den Ordner mit den Einwohnerlisten, Ortsplänen, Omas Briefen und denen von Helgas Eltern in der Wohnung ab.
Mein Blick fällt sofort auf eine Fotografie über Helgas Sofa:
In den 1940ern vor dem Kollien´schen Haus: erste Reihe von li., Kurt Hennig neben Schwester Herta Hennig. Familie G.... aus Kreuzburg. Hinter Herta, Emil Kollien, Landwirt und Bürgermeister in Schnakeinen bis 1945
Helga Wichert, geb. Kollien aus Schnakeinen am 16.10.2011 in Lübeck. Beim Fotostudium unserer Ostpreußen-Alben..... entdeckt Helga in meinem ihren Bruder Horst wieder.....
Der blonde, bislang unbekannte, junge Spielgefährte meines Onkel Horst war Helgas älterer Bruder Horst Kollien (*1926). Horst "blieb als Soldat im Krieg".
Nur ein einziges Foto ist ihr persönlich aus Ostpreußen geblieben.... Auf Helgas Schrankwand finde ich eben dieses, ihres lieben Bruders Horst....
Fortsetzung folgt.....
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Neues aus Schnakeinen - Kaum zu glauben
aber wahr: Am 4.6.2012, dies wäre der 92. Geburtstag meines Vaters gewesen, erreicht mich über die Kommentarfunktion dieser Blogseiten eine Nachricht aus Schnakeinen.
Hier der Originaltext:
Nachdem ich meine erste Sprachlosigkeit überwunden hatte, musste ich mir mal wieder sagen, dass es keine Wunder gibt.
Irina und Valery haben scheinbar meinen Traum gelebt und mein Happy End vollendet. Aber wie war mein Traum
nochmal?
Zum Andenken wollte ich alle Bewohner des Dorfes Schnakeinen noch einmal zusammen bekommen. Wollte dessen Geschichte und die der Menschen dort kennen lernen. Ich wollte verstehen, wie meine Familie vor 1945 in Ostpreußen gelebt hat. Warum ihre Heimat sie so stark geprägt hat. Woher ihre Sehnsucht nach einem winzigen Dorf und ihren Nachbarn alle so stark bis zum Tod beschäftigt hat. Ich wollte begreifen lernen, warum es so vielen Menschen wie meiner Oma Anna und meinem Vater erging. In einem Zeitalter, in dem wir den Jetlag langer Flüge für Urlaube gerade zu geniessen und diese Krankheit in den Wellness Tempeln der Welt kurieren in 45 Minuten kurieren lassen können.
Meine Recherchen wurden ungeahnt reich. Ich lernte lieben, was ich nie gesesehen oder erlebt hatte. Ich konnte meine übergrosse Sehnsucht begreifen. WURZELN kann man nicht verpflanzen, ÄPFEL fallen nicht weit vom Stamm, GRENZEN verursachen Borderline-Störungen. Ohne GESCHICHTE hätten wir keine Zukunkt, vor GOTT sind alle Menschen gleich.
Ich wollte die alten Schnakeiner mit ihrem Schmerz respektieren, wenn sie von ihren Reisen erzählten und erklärten, "Schnakeinen ist tot, da ist nichts mehr".
Die alten Ortspläne habe ich gesammelt, die Einwohnerlisten und habe mir erklären lassen wo was mal war. Fotos habe ich gesammelt die allem Leben einhauchen sollten. Rüsten wollte ich mich für meine Schnakeinen Reise, um zu widerlegen, was die Alten berichteten. Mit dem Klappspaten wollte ich losziehen, um soviel wie möglich dort im schnsten Flecken der Welt auszubuddeln. Ich erntete niemals in all den Jahren Spott, Hohn oder Mitleid, obwohl ich mir selbst wohl nicht so recht geglaubt habe.
Mir und meinem Traum: Oma Anna´s und Vaters Heimat lebt doch noch!
Nun kommen Irina und Valery in zwei Mails und mit einigen Fotos aus Schnakeinen direkt zu mir ins Wohnzimmer und in mein Leben. Mein Traum ist Wirklichkeit und nein; Ich packe den Klappspaten noch nicht aus. Jetzt geht es erst richtig los
История немецкого поселка Шнакайнен (Побережье) близ города Кройцбург (Славское), округ Прейсиш-Ейлау (Багратионовский район), Восточная Пруссия (Калиниградская область).
Der Übersetzer des Spatziergang durch Schnakeinen: Mein lieber Freund Andrej Schabalin 2013, Keygster Schnakeinen, Bagratinowsk
Ich danke dir!