Flucht-tagebuch

des Landwirtes Kurt Stolzenwald, 28.1.1945-22.3.1945 (Gutsbesitzer in Romlau, Gemeinde Tharau)

Vorbemerkun: Der Diplom Landwirt Kurt Stolzenwald hatte das Gut Romlau, etwa 124 ha groß, im Jahre 1926 als 25- jähriger gekauf. Er war der älteste Sohn des Landwirts Albert Stolzenwald, Besitzer eines Hofes von 110 ha in Quehnen (Stablack). Romlau lag nördlich von Tharau-Dorf, hart an der Kreisgrenze zum Landkreis Samland. Kurt Stolzenwald war einer der jungen studierten Landwirte, sehr tüchtig in seinem Beruf, und so wurde er zwangsläufig der Ortsbauernführer der Gemeinde Tharau. Der von ihm organisierte und geführte Treck bestand am Tage der Abfahrt aus fünf Schlitten seines Gutes und einem Wagen des Bauern Rogalski aus Ernsthof. Mit fuhren Familie Stolzenwald ( 6 Personen), Kämmerer Meier (2 Personen). Obermelker Scheschner (3 Personen), Landarbeiter Skrebat (3 Personen), Bauer Karna (3 Personen) Frau Klotz und 2 Fremdarbeiter des Gutes (Weissrusse und Pole) sowie die Familie Schirrmacher, Tharau-Dorf (4 Personen) und Familie Rogalski (4 Personen). Kurt Stolzenwald selbst humpelte nach einem Beinbruch mit einem Gipsverband herum, was ihn wohl vom Volkssturm befreit hatte. Hier sein Tagebuch mit den Stationen des erfolgreichen Trecks.


Vom Frisching bis zur Weichsel 1945


28.1.

9 Uhr Flucht aus Romlau bei 20 Grad Kälte und Ostwind. Über Mahnsfeld, Kobbelbude (Richtung) Brandenburg. Um 16 Uhr in Alt-Cainen bei Fam. Will mit 5 Schlitten und einem Wagen der Fam. Rogalski. 29.1.

In alt Alt-Cainen geblieben; Gefahr in Verzug, da Russen bereits in Brandenburg.

30.1.

4 Uhr früh Abfahrt von Alt-Cainen durch die Brandenburger Heide-Ludwigsort-Bladiau-Heiligenbeil nach Streitswalde. Unwetter und Schneetreiben.

31.1. - 5.2.

Verbleiben in Streitswalde und Neu-Damerau (südwestlich Heiligenbeil) in Gemeinde Sonnenstuhl. Hier lt. Sohn Helmut: Umrüsten/Umladen auf Fuhrwerke eines verlassenen Hofes. Jedes Fuhrwerk wurde von zwei Pferden gezogen. Futter war Teil der Ladung.

6.2.

15 Uhr von Neu-Damerau abgefahren über Streitswalde-Grunau bis vor Gerlachsdorf, ein Gut 3 km westlich Grunau. Von jetzt ab Übernachtung in den Wagen.

7.2.

Vor Gerlachsdorf auf freiem Gelände gelegen und auch übernachtet.

8.2.

Immer noch vor Gerlachsdorf gelegen und auf freiem Gelände übernachtet. Fam. Rogalski verloren.

9.2.

Weiterfahrt mit großen Stockungen über Gut Rossen, dann Wiesenwege nach Alt-Passarge am Frischen Haff. Um 22 Uhr dort bei Dunkelheit und Regen.

10.2.

Überfahrt über das Haff-Eis ab 6 Uhr morgens. Um 3 Uhr (nachmittags) am Ufer in der Bucht bei Neukrug (ca. 11 km) angekommen nach Bau von Knüppel. (Sohn Helmut erinnert sich: Wegen des brüchigen Esises ließen die Volkssturmmänner die Fluchtfahrzeuge nur einzeln und mit großen Abständen auf das Eis. Es gab häufig Stockungen wegen breiter offener Stellen.Schollen brachen ab und kippten und Mann und Maus versanken. Hinzu kamen die Angriffe der russischen Flugzeuge. Der Übergang vom Eis des Haffs auf die Nehrung war steil, der Boden matschig und sumpfig. Deshalb bauten die Männer einen Knüppeldamm. Mit Hilfe unserer Pferde halfen wir vielen Wagen  ans rettende Ufer.

11.2.

Am Haff am Ufer gestanden: Schnee; dort auch übernachtet.

12.2.

Fahrt bis Neukrug auf der Nehrung über Steile Seewege. Übernachtung im Walde.

13.2.

6:30 Uhr Neukrug abgefahren auf zum Teil sehr schlechter Nehrungsstraße. Wetter sehr schön, aber es geht nicht voran, den Tag etwa 7 km  gefahren.

14.2.

6:30 Uhr Abmarsch, ewige Stockungen, nach kurzer Strecke Halt. Schlechtes Wetter mit Schneeschlack. Nachmittags vom Weg quer (ab) zum Haff. Etwa 4 km gefahren, hinter Försterei wieder im Treck. Nacht im Wald.

15.2.

Morgens Abfahrt, 4 km bis Kahlberg, dort 12:30 Uhr Rast. Herrliches Wetter, wieder am Strand entlang, Flieger. Um 18 Uhr auf Waldweg, Rast für die Nacht.

16.2.

Um 7:30 Uhr Weiterfahrt, Vogelsang an 9 Uhr, Schneetreiben bis 11 Uhr, Radbruch um 13 Uhr; Bruder Erich getroffen, Fahren im Treck bis hinter Stutthof, Rast und Übernachtung im Walde. ( Erich Stolzenwald, der jüngere Bruder, war mit Frau und zwei Kindern von Gut Quehnen etwa Ende Januar geflüchtet. Quehnen selbst wurde erst um den 18.2.45 von den Russen besetzt.)

17.2.

Abfahrt 6:30 Uhr, in Steegen 11 Uhr, großer Ort. Rübenschnitzel und gute Erbsensuppe empfangen. Weiterfahrt über erste Chaussee, um 19 Uhr in Nickelswalde. Mit Fähre über die Weichsel. Nachtquartier auf der Westseite der Weichsel.

18.2.

Um 6 Uhr Abfahrt nach Bohnsack (L11) um 17 Uhr mit Fähre über die (Danziger) Weichsel, 20 Uhr Quartier in Weßlingen. Menschen in Schule, Pferde auf Scheune.


(Hinweise: R=Reichsstraße, L=Landstraße, A=Reichsautobahn)


Von der Weichsel bis zur Oder


19.2.

Wagen schmieren, um 9 Uhr Abfahrt; 12 Uhr Danzig (R2), weiter über Oliva nach Zoppot (R2), hier erstes Privatquatier.

20.2.

Um 5 Uhr Abfahrt nach Lauenburg (R2), recht bergig.; dann nach Rettkewitz (LII), 41 km. Nacht in der Schule.

22.2.

Um 7:30 Uhr Abfahrt, recht bergig, in Dammen Mittagsrast. Weiter bis Schwetzkow (L) 35 km , dort über Nacht in Einzelquartieren.

23.2.

Um 8 Uhr Abfahrt bis Benzin, schlechte Straßen bis Denkau, dann Schmaatz-/Ritzow