Ein Zeitzeugenbericht

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Die Kiesgrube bei Mahnsfeld - Bis 1945 im Besitz von Emil Kuhnke

Foto: B. Sontheim - 2010-

 

In einer Mail von 2010 schreibt Bernhard zu diesem Foto:

 

Wie gesagt war ich vor ein paar Tagen am Frisching. Mein
Weg führte mich von Mahnsfeld Richtung kl. Bajohren.
Nach ein zwei Kilometer kamen mehrere Sandgruben in denen
noch abgebaut wurde. Danach wurde die Strasse immer
schlechter und man sah dass dieser Weg nicht mehr gross
benutzt wurde. Jedoch ist die Landschaft mit jedem
Meter dem Frisching entgegen immer wilder, hügeliger und
interessanter geworden. Kurz vor dem Frisching
musste ich dann mein Auto stehen lassen weil die Strasse
zu schlecht war. Fuss ging ich dann an den
Fluss von der nördlichen Seite. In alten Aufzeichnungen
habe ich gelesen dass viele Deutsche früher hierher
zum Baden kamen. Die Stelle war absolut abgeschieden,
hierher kommt kaum mehr einer da die Strasse fürchterlich
ist jedoch war die Gegend absolut atemberaubend und ich
denke hier ist die Zeit stehen geblieben.

 


Späte Flucht der Familien Saager aus Ramsen Nr. 1 und Kuhnke aus Mahnsfeld mit 8 Personen im Opel Blitz - Von H. Kuhnke, entnommen aus den Berichten seiner Familie

 

Die Kiesgrube gehörte meinem Großvater Emil Kuhnke aus Mahnsfeld und wurde schon vor dem Krieg für den Autobahnbau benutzt. Emil Kuhnke war mit Alwine Kuhnke, geb. Podehl (Mühle Mahnsfeld) verheiratet.

  • Arthur Saager mit Ehefrau Hertha und den Töchtern Irene, Rosa, Annemarie und Christa aus Ramsen Nr.1

  • Emil und Alwine Kuhnke aus Mahnsfeld  (von ihren 3 Söhnen waren Werner und Harry bereits gefallen, Helmut war als Unteroffizier in Frankreich)

Mahnsfeld lag am 27. Und 28. Januar 1945 unter Fliegerbeschuß. Seit vielen Tagen schon sah die Familie den Treck der Flüchtenden aus östlicheren Gebieten durch Mahnsfeld ziehen; mit Pferd und Wagen, Handwagen, Schlitten usw..
Man machte sich schon seine Gedanken und bereitete die Flucht vor, obwohl man eigentlich davon nichts wissen wollte. Die geliebte Heimat zu verlassen – mit dem Gedanken konnte man sich nicht anfreunden.
Das Wohnhaus von Emil und Alwine Kuhnke wurde am 28. Januar 1945 durch Bomben total zerstört. Anderen Berichten zu Folge ist das Haus bei Einschussübungen der Wehrmacht mit Haubitzen abgebrannt, da das Reetdach Feuer fing.
Emil und seine Ehefrau Alwine konnten nur noch mit dem, was sie am Körper trugen, das Haus verlassen und sich zu Fuß auf den Weg zur befreundeten Familie Saager begeben.
Familie Saager hatte bereits vor einigen Tagen heimlich eine provisorische Zufahrt über eigene Äcker und Feldwege zur Autobahn geschaffen. Eigentlich hatte man vor – wenn es denn unbedingt sein musste – mit Pferd und gepacktem Wagen zu flüchten. Auch die Beschäftigten und deren Angehörige erhielten pro Familie Pferd und Wagen. Es galt ja wohl noch das Fluchtverbot.
Ein deutscher Wehrmachtsoffizier informierte am 28. Januar, dass die Russen schon in Sichtweite sind und man sofort Haus und Hof verlassen sollte.

Vor diesem Hintergrund entschloss man sich mit dem Opel zu flüchten. Als man startbereit war, tauchten zwei graue Gestalten auf: Emil und Alwine Kuhnke. Die beiden wurden ins Auto verfrachtet; der kräftige Emil Kuhnke kam auf den Beifahrersitz. Die drei großen Schwestern (Irene, Rosa und Annemarie) gingen zu Fuß bis zur Autobahn voran, da man befürchtete, dass der total überladene Opel im Schnee bzw. zwischen Ackerfurchen stecken blieb.
Da man bis zuletzt hoffte, dass die Rote Armee "zurückgeworfen" werden würde, hat man die Flucht erst sehr spät angetreten (Montag, 28. Januar 1945 gegen 14.00 Uhr).

Aus einem Augenzeugenbericht ist zu entnehmen, dass am 29. Januar um 4.00 Uhr die Russen plötzlich da waren…

Man hatte Glück und konnte mit dem Opel Blitz versuchen, dem Kessel der Roten Armee zu entkommen.

Die breiten Straßen mussten für die Armee freigehalten werden. Die anderen Wege waren hoffnungslos durch Pferdewagen, Handwagen und Schlitten verstopft.

Es blieb somit nur der Weg über den eigenen Grund und Boden zur Autobahn zu fahren. Diese war leer. Somit fuhr man um 15.00 Uhr auf der Autobahn in Richtung Heiligenbeil bis Billshöfen. Man hatte noch immer die Hoffnung bald zurückkehren zu können. Dies wurde auch so in den Nachrichten verbreitet. Also harrte man dort vom 29. Januar bis 2. Februar aus. Wegen der näherkommenden Front wurde nun die Weiterfahrt erforderlich.

 

Mit dem Opel Blitz fuhr man zunächst in Richtung Braunsberg. Hier war aufgrund des Kessels der Roten Armee kein Durchkommen möglich. Somit blieb dann nur der Weg über das Frische Haff. In Leysunen fuhr man auf das zugefrorene Haff.

Das Haff ist  etwa 100 km lang und 25 km breit. Diese 25 km galt es nun zu überqueren, um auf die Nehrung zu gelangen. Die Eisstärke war ausreichend.

Man war das erste Fahrzeug auf einer neuen "Fahrbahn" über das Haff nach Narmeln, da auf der vorherigen Spur zu viele Eiseinbrüche - auch durch die Tieffliegerbeschüsse - eingetreten waren.

 

Auf der Fahrt in die neblige Ungewißheit wurde kein Wort gesprochen. Man hat nur im stillen gebetet, daß alles gut gehen möge. Alle waren ständig darauf eingestellt, einzubrechen und gemeinsam zu ertrinken.

Man erreichte Narmeln und fuhren die Nehrung entlang bis Kahlberg, wo man um 19.00 Uhr ankam. Es wurde draußen übernachtet bei 25 Grad minus.

Am Sonnabend, 3. Februar 1945 brach man um 3.30 Uhr auf und fuhr in der Treckkolonne die Nehrung entlang in Richtung Danzig. Um 10.00 Uhr machten wir Rast in Tiegenhof. Um 12.00 Uhr war man in Rothebude, wo man bis 18.30 Uhr auf das Übersetzen mit der Fähre über die Weichsel wartete.

Die Chausseegräben auf der Fahrtstrecke waren randvoll mit zusammengeschossenen Trecks gefüllt. Man hatte das Glück, daß es keine Tieffliegerangriffe gab, weder während der Fahrt auf der Nehrung, noch bis zur Weichsel noch während der Wartezeit bis zum Übersetzen.

Nach dem Übersetzen wurde die Danziger Chaussee befahren. So kam man um 20.00 Uhr in Quadendorf an (Kreis Danzig-Land).

Auf dem Hof der Familie Bartsch bekam man Unterkunft. Hier hatten auch die deutschen Soldaten Quatier gemacht, mit denen man zusammen kochte. Auch jetzt hatte man noch immer die Hoffnung bald zurückkehren zu können.

Somit blieb man vom Sonntag, den 4. Februar bis zum Sonntag, den 11. Februar 1945.

Am Montag, den 12.Februar zur Mittagszeit fuhr man wegen der näher kommenden Front

mit den Soldaten über Danzig, Zoppot, Gotenhafen nach Adlershorst. Der grüne Opel wurde von den Soldaten in Schlepp genommen, um Benzin zu sparen. Man ging zu Fuß oder konnte im Stahlwagen der Soldaten sitzen. In Adlershorst übernachtete man in einem Kinderheim.

Am Dienstag, den 13. Februar war morgens um 8.00 Uhr Abfahrt. Um 13.00 Uhr hatten man Quartier bei (wieder) Bartsch in Weißfluß bei Rheda gefunden.

Mittwoch, 14. Februar wurde wieder um 8.00 Uhr aufgebrochen. In Neustadt an der Rheda wurde Frühstück gemacht. Um 15.00 Uhr beschlagnahmte eine SS-Streife in Trispin (Westpreußen-Pommern-Grenze) den Opel. Man wurde zu Fuß zum Bahnhof geschickt. Der Zugverkehr war jedoch schon eingestellt worden. Also ging man wieder zurück zur Streife. Da Emil Kuhnke gehbehindert war, brauchte alles sehr viel Zeit. Von der SS wurde man, da ja der Opel beschlagnahmt wurde, auf ein offenes Lastauto gesetzt und kam so um 2.15 Uhr in Köslin an, wo man bis zum Morgengrauen auf den Fliesen des Bahnhofsgebäudes geschlafen hat. Emil Kuhnke saß auf irgendeiner Sitzgelegenheit und hielt Wache.

Am Donnerstag, dem 15. Februar erhielt man in Köslin ein Privatquartier und konnte auch zum ersten Mal in Betten schlafen. Hier blieb man auch am Freitag, den 16. Februar. Am Sonnabend, den 17. Februar ging man zum Markt in Köslin und hat dort gewartet, bis das Militär die Gruppe mitnahm. Mit verschiedenen Fahrzeugen - auch Trecker mit Anhänger - ist die Gruppe bis Stettin gekommen. Die Nacht verbrachte man im Bunker des Bahnhofs.

Am Sonntag, dem 18. Februar fuhr die Gruppe morgens um 7.00 Uhr von Stettin mit der Bahn ab. In Güstrow/Mecklenburg, wo die Gruppe bleiben wollte, wurde sie wieder in die Bahn gesetzt und kam sodann in Hamburg an. Hier übernachtete man in einer Schule.

Am Montag, dem 19. Februar fuhr die Gruppe um 14.00 Uhr vom Bahnhof Altona nach Buchholz/Nordheide. Hier übernachtete man auch in einer Schule.

Am Folgetag (Dienstag, 20. Februar - Emils Geburtstag) wurde die Gruppe nach Moisburg-Staesbeck verfrachtet und von hier aus nach Holvede gefahren.

In Holvede bekamen Arthur, Hertha und Christa ein Zimmer bei Ahlfeldt, Emil und Alwine bei Fritz Meyer (Holtens), Irene bei Grimm, Rosa bei Löhn und Annemarie (Mieze) einen Verschlag bei Emma Löhn.