Der sich hier verewigende Antonius Pfeiffer war kein geringerer, als der zweite Ehemann der Witwe Anke Portatius, geb. Neander, uns heute bekannt als Ännchen von Tharau.
Zu kompliziert?
Nun damals war es eben so, dass Pfarrwitwen jeweils den Nachfolger des Amtes ihres Mannes heirateten. So war Anna selbst mit gleich drei Pastoren verheiratet... und hat sie alle überlebt.
Was das mit Tharau zu tun hat?
Tharau um 1945 Quelle: Pr. Eylauer Kreisblatt, Autor unbekannt
Die letzten Besitzverhältnisse in Tharau 1945
Auszugsweise nach den Angaben von Horst Schulz "Die Städte und Gemeinden des Kreises Preußisch Eylau", Kreisgemeinschaft Pr. Eylau, Verden/Aller 1990
Nach Rücksprache mit Herrn G. Birth, ehemals Schriftleiter der Kreisgemeinschaft Pr. Eylau sind Veröffentlichungen der Literatur aus dem Archiv der Kreisgemeinschaft willkommen.
Andres, Albert 30 ha Nachtigall, Fritz 5 ha
Andres, Franz 15
ha
Radau, Franz 17 ha
Bogdan, Franz 9 ha
Radke, Albert 26,05
Bräuer, Franz 3,75
ha
Radke, Gustav 15 ha
Dreher, Karl 1,15
ha
Rehse, Gustav 6,5 ha Fabricius, Emil 20
ha
Rohde, Hermann21,41 ha
Feierabend, Gustav 22,5 ha Rosenbaum, Friedrich 1 ha
Glaß, Heinrich 33,75 ha Schirrmacher, Emil 6 ha
Hübner, Otto 52,5 ha Stahl, Fritz 8 ha
Kerwin, Franz 4,68 ha Tobies, Emil 22,05 ha
Kluwe, Richard 12 ha Tobies, Witwe 3,75 ha
Küßner, Paul 30 ha Kirchenland 70 ha
Mehlhorn, Gustav 3 ha Schule/Schulland 2 ha
Gut Tharau Lölhöffel von Löwensprung, Hedwig 1086 ha
Was auf einen Betrachter von heute wirken könnte, als würde der beliebteste Vorname des Jahres gewählt, war für Ostpreussen nach 1945 sowas wie der letzte Hoffnungsschimmer fern der Heimat.
Diese Auflistungen von Eigentum galten nicht der Familien- oder Ahnenforschung der Zukunft. Hier ging es allein um den Lastenausgleich, der den Flüchtlingen gewährt werden sollte.
Manch einer hoffte aber wohl noch lange Zeit danach darauf, doch wieder seinen eigenen, heimischen Acker selbst bewirtschaften zu können.
Dazu gehörten die Ortschaften
Arweiden, Augustenhof, Charlottenhof, Gut Bajoren mit ehemals Groß und Klein Bajohren, Bögen, Braxeinshof, Braxeinswalde, Ernsthof, Friderikental, Grünhof, Hasseldamm, Louisenhof, Marienhöh, Packerau, Romlau, Wittenberg.
Im Lauf der Jahrhunderte wechselten die Verwaltungsbezirke. So fiel ein Ort weg oder einer kam hinzu.
Neben zahlreichen großen Bauernhöfen gab es einige Güter und Ziegeleien. Sie boten ortfremden Losmännern und Mägden Arbeit.
Tharau hatte bis 1945 ein Standesamt. Die Unterlagen sind verschollen.
Das Einzugsgebiet ist auf der Karte unten zu erkennen.
Tharau war einst Gemeinde, Amtsbezirk und Kirchspiel. Neben Tharau Gut und Tharau Dorf gehörten die Ortsteile Augustenhof, Baiersfelde (Gr. Bajohren), Braxeinshof, Ernsthof, Gröbensbruch-Forsthaus, Grünhof, Hasseldamm, Kl. Bajohren, Louisenhof, Romlau, Tharauer Ziegeleien dazu.
Dorf und Abbau Packerau gehörte seit jeher zum Schul- und Kirchspielort Tharau.
Thoraw war eine alte prussische Siedlung, die bereits 1315 in der Handfeste der Stadt Creuzburg mit der Verleihung eines Waldes "..hart an der Grenze von Thoraw.." genannt wurde.
Im Laufe der Zeit entstand hier ein grosses Kirchdorf, wobei die Tharauer Kirche bereits um 1350 erbaut wurde. Der Name des Dorfes gelangte, weit über Ostpreussens Grenzen hinaus, zur Bekanntheit durch Simon Dachs Verse für Anna Neander "Aennchen von Tharaw".
Hier folgt die ganze Geschichte zu Tharau in Worten und Bildern!
Kriegsbedingt wurde Tharau am 21. Januar 1945 von sowjetischen Truppen eingenommen. In der weiteren Zeit wurden die meisten der ursprünglichen Bauten zerstört. Die Kirche diente den Russen als Offizierskasino, dann als Getreidesilo und manche berichten sogar, sie sei als Kuhstall genutzt worden.
Das Dorf liegt heute im kaliningrader Gebiet und heisst Vladimirovo.
Die stark beschädigte Kirche wird seit den 1990ern durch deutsche Initiative und Fördermittel saniert. So trägt sie wieder ein Dach, um den weiteren Verfall möglichst einzudämmen.
Es gibt Bestrebungen, Teile der Kirche zu restaurieren und in Vladimirov eine Heimatstube einzurichten, die an die deutsche Geschichte Tharaus erinnern soll.
Die Gemeinde hatte 1939 776 Bewohner. Es mag vielleicht kein Zufall sein das von Tharau, anders als von anderen Städten und Gemeinden in der Region, recht viele Zeitzeugnisse erhalten blieben. Neben dem scheinbar ewigwährendem Lied ist der grösste Teil der Kirchenbuchbestände in Kopie von 1694 bis 1876 erhalten. Es gibt eine Vielzahl von Fotografien (u.a. im Bildarchiv Ostpreussen) und eine Einwohnerliste über die Gemeinde und seine Ortschaften.
Darüber hinaus besteht die Dorfchronik als besondere Quelle über das Dorf und seine Bewohner.
Auf mehr als 200 Seiten beschreibt der Tharauer Kantor und Lehrer Boldt die Geschichte des Dorfes auf eine einzigartige Weise. Darin berichtet er über die Entwicklung des Gutes und von dessen Herren, ebenso wie über die Pfarrherren und natürlich vom Ännchen.
Er erzählt von Raubtierplagen, Mörder Androsch und Geistern, die das Dorf aufsuchten, dem Wetter, den Bauern, dem elektrischen Licht und vom Rundfunk.
Boldt bringt uns die Ännchenlinde, die Schule, Lehrer und Schüler, die Gewerbe, die Gewässer, die Apotheke und die Verlustigungen im Dorf und den umliegenden Orten nahe.
Die original Chronik versucht er zu retten. Während oder nach der Flucht kommt ihm diese aber abhanden.
So schreibt er in den 1950ern in Bielefeld alles aus dem Gedächtnis auf, worin er Jahre zuvor so intensiv gelesen hatte.
Letztendlich ist er es, der den -vor-letzten Teil der Chronik beisteuert.
Aus eigenem Erleben berichtet er von den Kriegsjahren im Dorf. Er hält uns vor Augen, was sich in den letzten Wochen vor der Flucht in Gemeinde und Dorf zutrug, was den Einwohnern widerfahren ist.
In seinem letzten Wohnsitz bei Bielefeld versammelt er noch einige Male seine Schüler und Konfirmanden, deren Eltern und Angehörige, Nachbarn und Freunde, die
eigene Familie. In Zusammenarbeit mit Hedwig von Lölhöffel, geb. Olfers-Batocki, der letzten Gutsherrin von Tharau, gaben beide die ersten Tharau Briefe heraus.
In diesen Berichten wurde u.a. der Verbleib und das Schicksal der Bewohner verzeichnet.
Neben zahlreichen Fotos, s.o. bildet dies den Abschluss der Dorfchronik von Tharau. Ein Spaziergang durch 630 Jahre Geschichte.
Die Wiedergabe der Dorfchronik Tharau ist eine besondere Herausforderung. Der Verfasser, Paul Boldt, ist verstorben. Angehörige sind mir nicht bekannt, ebenso wie der Herausgeber. Die Forschungsstelle Osteuropa die dieses Werk oder dessen Druck in Auftrag gegeben hat, gibt es längst nicht mehr.
Das Buch ist zu jung um abgelaufene Urheberrechte geltend zu machen und zu alt, um Ansprechpartner für eine Neuauflage zu finden.
Im digitalen Zeitalter bildet es kein Problem, dass 200 Seiten starke Werk zu scannen und online zu bringen. Aber eine Veröffentlichung ist nicht gestattet.
So bleibt nur das auszugsweise Zitieren daraus und dies müsste dann elendig mit Quellennachweisen unterlegt werden.
Also wird man das Werk einfach mit eigenen Worten wiedergeben müssen.
Das ist eine langfristige Arbeit und geeignet für das Rentenalter. Soweit bin ich noch lange nicht.
So wird sich unter dem link "Dorfchronik Tharau" erstmal nichts oder nicht viel zu lesen sein.
Mein langfristiges Ziel ist es, Boldts Erzählungen in die Seiten von Tharau und seinen Ortschaften einfliessen zu lassen.
Unten rechts innerhalb der roten Markierung ist das ehemalige Gelämde des Gut Tharau noch sehr deutlich an seinem Waldbestand und dem Strassenwall zu erkennen. Vergrössert man die Ansicht und schiebt sie sich etwas zurecht ist sogleich das Kirchendach erkennbar. Viel ist vom Gut Tharau aus deutscher Zeit nicht mehr übrig geblieben. Das Gutshaus mit seinen imposanten Gebäuden und Anlagen ist ebenso verschwunden, wie das legendäre Pfarrhaus. Doch einige Gebäude haben die Zeit überstanden.
Um die und ihren Standort zu erkennen, muss man wissen wie das Gut früher einmal ausgesehen hat.
Eine Rekonstruktion gibt es hier:
Martin, selbst gebürtig aus Schlossberg/Pillkallen, bereist Kaliningrad regelmässig und ist dabei sein eigener Reiseführer. Dabei setzt er sich, nicht nur für seinen Heimatkreis, mit den Gegebenheiten und Veränderungen vor Ort auseinander. Darüber hinaus bemüht er sich um Verständigung und die Bewahrung kulturellen Erbes.
Nachdem er mir mit seinen Fotos bereits geholfen hat, ein Bild des heutigen Slawskoje/Kreuzburg aufzuzeigen, trifft dies so auch für Tharau zu.
Herzlichen Dank an Martin für die Bereitstellung der Fotos aus den Jahren 2012/2013 und noch viel Erfolg bei deiner weiteren Arbeit und auf Reisen durch OSTPREUSSEN!
Na klar ist die Tharauer Kirche "der Hingucker". Aber ich fand die Kühe auch sehr schön.... einst und heute
Doch einiges von einst und jetzt hat viel grösseren Wiedererkennungswert. Hier einmal Fotos von Martin, aus der Chronik und dem Eylauer Kreisblatt, also vom Zustand
einst und heute, miteinander in Verbindung gebracht.
Wenn man sich etwas Zeit nimmt, kann man sich doch zurecht finden.
Eine ultimative Reise in Bildern beginnt.
Wer ergänzendes Material über die Kirche, das Dorf, Reiseberichte, Fotos, Zeugnisse deutscher und kaliningrader Zeit beisteuern kann wird jedem Leser und mir
eine grosse Freude damit bereiten.
Gibt es in Vladimirovo eigentlich wieder eine Schule, oder gehen die Kinder nach Wittenberg? Welche Infrastruktur besteht dort heute? Kann man dort einkaufen, gibt es einen Krug zum goldenen Kürbis. Badet man noch im Frisching?
Im August 2016 schreibt mir Herr Harald K. folgendes_
Ich kann leider zur Ihrer Familienforschung nichts beitragen. Dennoch hat mich die Geschichte vom Ännchen in den Bann gezogen.
Mich interessiert diese Kirche. Sie ist schön….und war viel schöner!
Ich habe einen Ziegelstein im Mauerwerk gesehen, der vielleicht etwas aussagen könnte.
Im Anhang sende ich Ihnen ein Foto dazu.
Mit besten Grüßen aus H.
Harald K.-----------------------
Den Worten von Herrn K. kann ich mich nur anschliessen. Ja, die Ännchen Kirche hat selbst nach soviel Zerstörung noch soviel schönes. Wir, die sie niemals in voller Pracht sehen durften können immer hin erahnen wie sie einst ausgesehen hat.
Darum sind die alten und neuen Fotografien so wertvoll. Vielleicht gibt es einmal eine Wiederherstellung annähernd so, wie im Fall der Ordenskirche Arnau?!
Was aber hat es mit dem eingemauertem Ziegelstein auf sich, dessen Fotografie Herr K. geschickt hat?
Weiss jemand eine Antwort darauf?
Danke an Herrn K. für die Bereitstellung des Fotos! Jegliches Material zu Tharau ist sehr willkommen.
Um 1380 von Rittern errichtet
1911 vom Feuer vernichtet
Bis 1918 in Kriegszeit erneut
Gott richte auf uns eine bessere Zeit!
Nach Boldt soll sich dieser Spruch von Erminia v. Olfers auf einer Sandsteintafel, eingelassen in dem Pfeiler an der Südostecke, befunden haben.
Mit seiner Aussage, der Spruch erhielte kurzgefasst die Geschichte der Tharauer Kirche lag Boldt allerdings falsch. Wie hätte er auch ahnen können, was in der weiteren Geschichte der Kirche geschehen würde.